Depressive Episode


Hier findet ihr allgemeine Informationen zu Depressionen, ihrer Verbreitung und möglichen Ursachen für ihre Entstehung.


Depression

Es handelt sich bei der Depression um eine Gefühlsstörung, deren Hauptsymptom eine allgemeine seelisch-körperliche Herabgestimmtheit ist.

 

Die Depression ist eine Gemütskrankheit, die den ganzen Menschen umfassen und ihn in seinem körperlichen Befinden, seinem Denken, seiner Gestimmtheit und seinen Gefühlen, seinen Bezügen zur Umwelt, zur eigenen Person und zur Zukunft bedrohen kann.

 

Die Depression kann den Betroffenen elementar beeinträchtigen, bis hin zur Unfähigkeit den eigenen Lebensverpflichtungen nachzukommen.

In ihren tiefsten und schwersten Ausprägungsformen umfängt sie die Kranken in ihrem Denken und Erleben derart, dass sie über ihr eigenes Leid nicht mehr hinaus zuschauen vermögen und den Glauben an sich, an ihre Umwelt, an Hilfsmöglichkeiten und an die Zukunft verlieren.

 

Die Depression wird dann lebensbedrohlich, denn sie bringt die Gefahr der Selbsttötung mit sich.

 

Trotz ihres ernsten Charakters bedeutet die Depression kein unabänderliches Schicksal mehr.

Die heutigen Behandlungsmethoden, insbesondere die Antidepressiva und die psycho- und soziotherapeutischen Behandlungsmethoden ermöglichen in vielen Fällen eine erfolgreiche Therapie.

 

Epidemiologie

Die Depression ist eine häufig vorkommende Erkrankung.

In großen epidemiologischen Studien wurde festgestellt, dass im Verlaufe ihres Lebens etwa 17% der Gesamtbevölkerung an einer Depression erkranken.

 

Bei Frauen werden Depressionen im Durchschnitt doppelt so oft wie bei Männern diagnostiziert. Dies kann auf eine verstärkte genetische Disposition von Frauen zur Depression hinweisen, aber auch mit den unterschiedlichen sozialen Rollen und Zuschreibungen zusammenhängen, da deutlich mehr Männer an meist depressionsbedingten Suiziden sterben als Frauen. Bei Männern können sich Depressionen auch anders ausdrücken als bei Frauen. Da sich Männer aber tendenziell seltener in ärztliche Behandlung begeben und dabei weniger über sich erzählen, kommt dies oft nicht zur Kenntnis.

 

Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt zwischen dem 30. und dem 40. Lebensjahr.

 

Bei Menschen, die an Depressionen leiden, besteht ein hohes Suizidrisiko. Bis zu 80% der Betroffenen von schweren Depressionen, haben Suizidideen. 20%-60% unternehmen Suizidversuche und bis zu 15% begehen tatsächlich einen Suizid.

 

Depressionen können allein, als Ersterkrankung oder als Folge einer schon bestehenden körperlichen oder psychischen Krankheit auftreten.

 

Klassifikation

In der Psychiatrie wird die Depression den affektiven Störungen zugeordnet. Im ICD 10 lautet die Krankheitsbezeichnung depressive Episode oder rezidivierende (wiederkehrende) depressive Störung.

 

Die Diagnose wird im ICD-10 allein nach Symptomen und Verlauf gestellt.

Die Schwere der Depression wird in leichte, mittelgradige und schwere depressive Episode unterschieden, letztere noch nach dem Vorhandensein psychotischer Symptome differenziert.

 

Die älteren Bezeichnungen unterscheiden zwischen:

 

  • Endogenen Depressionen (ohne erkennbare Ursache, genetische Mitverursachung vermutet)

bipolare Depression (Zyklothymie)

unipolare Depression

schizoaffektive Depression

 

  • Somatogene (exogene) Depressionen

organische Depression

symptomatische Depression

 

  • Psychogene Depressionen

neurotische Depression (depressive Neurose)

Erschöpfungsdepression (depressive Entwicklung)

reaktive Depression (Anpassungsstörung)

 

  • Depressionen in besonderen Lebenslagen

Altersdepression

Winterdepression

Involutionsdepression

Wochenbettdepression

larvierte Depression

Depression im Kindesalter

sekundäre Depression

  • Dysthymia

 

Diagnose

Diagnosekriterien nach ICD-10

 

Hauptsymptome

·   depressive Stimmung

·   Verlust von Freude und Interesse

·   erhöhte Ermüdbarkeit, Energieverlust, Antriebs-schwäche

Zusatzsymptome

·   negative, pessimistische Zukunftsperspektiven

·   Selbstverletzungen, Selbstmordgedanken

·   Verlust von Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl

·   Schuldgefühle

·   Denk- und Konzentrationsstörungen

·   Appetit- und Gewichtsverlust

·   Schlafstörungen

Somatische Symptome 

·    Interessenverlust, Verlust der Freude an sonst angenehmen Tätigkeiten

·  Mangelnde emotionale Reagibilität auf sonst freudige Ereignisse

·     Frühmorgendliches Erwachen

·     Morgendliches Stimmungstief

·     Psychosomatische Hemmung oder Agitiertheit

·     Deutlicher Appetitverlust

·     Gewichtsverlust

·     Deutlicher Libidoverlust

 

Leichte Störung:                 2 Hauptsymptome +           2 Zusatzsymptome

Mittelgradig Störung:          2 Hauptsymptome +           3-4 Zusatzsymptome

Schwere Störung:               3 Hauptsymptome +           >= 4 Zusatzsymptome

 

Dauer mindestens zwei Wochen.

 

mit somatischen Symptomen:        Vorhandensein von mind. 4 somatischen Symptomen.

mit psychotischen Symptomen:     zusätzliches Vorhandensein von Wahnideen (Versündigung, Verarmung) und/oder Halluzinationen, (z.B. anklagende Stimmen; Verwesungsgeruch, depressiver Stupor)

 

Die Diagnose der depressiven Episoden stützt sich auf Anamnese, Fremdanamnese und das pathologische Zustandsbild, das sich aus den verschiedenen Symptomebenen wie den Affekten, Antrieb, Verhalten und Denken ergibt.

 

Mitunter wird eine Depression von einer anderen Erkrankung überdeckt und nicht erkannt.

 

Eine Depression kann sich auch vorwiegend durch körperliche Symptome – oft Schmerzen – äußern und wird dann als „larvierte Depression“ bezeichnet (die Depression versteckt sich hinter den körperlichen Symptomen wie hinter einer Larve).

 

In Hausarztpraxen werden nur in 15 % der Fälle Depressionen auch als solche erkannt. In Krankenhäusern und Pflegeheimen liegt der Anteil der diagnostizierten Depressionen zwischen 11 % und 26 %.

 

Depressive Erkrankungen können sowohl als Ersterkrankung als auch durch eventuelle körperliche Erkrankungen auftreten, deshalb ist eine genaue Abklärung körperlicher Krankheiten sehr wichtig.

Außerdem können Depressionen auch durch viele Medikamente oder Drogen ausgelöst werden. Auch hier muss eine gründliche Abklärung erfolgen.

Schwierigkeiten für eine eindeutige Diagnose ergeben sich sehr oft durch die fließenden Übergänge zwischen Depressionen und momentanen depressiven Verstimmungen.

 

Verbreitete Diagnosewerkzeuge sind die Hamilton-Depressionsskala (HAMD), das Beck-Depressionsinventar (BDI) und das Inventar depressiver Symptome (IDS).

 

Suizidgefahr

Bei depressiven Menschen besteht eine sehr große Suizidgefahr. Deshalb ist es wichtig, den Betroffenen damit zu konfrontieren und nachzuhaken, um eine mögliche Selbsttötungsgefahr abzuschätzen und ihr vorzubeugen.

Vielen Menschen erscheint dieses Thema unzumutbar, indiskret oder tabu.

Trotzdem ist hier das Erhalten des Lebens wichtiger, als irgendwelche gesellschaftlichen Normen.

 

Mögliche Hinweise auf ein Suizidrisiko sind z.B.:

  • Suiziddrohungen
  • frühere Selbstmordversuche
  • Traumata aus der Vergangenheit
  • getriebenes Verhalten
  • lange andauernde, schwere Schlafstörungen
  • Vorstellungen über suizidale Ausführungen
  • Aggressionsanstauungen
  • Schuld- und Unzulänglichkeitsgefühle
  • schwere Krankheiten
  • Süchte, Medikamentenmissbrauch
  • finanzielle-, berufliche, partnerschaftliche Probleme
  • verlorene Lebensziele
  • Vereinsamung, Isolierung 

 

Soziale Folgen

Bei depressiven Menschen kommt es sehr oft zu Abbrüchen bestehender Beziehungen mit ihrer Umwelt. Durch den eigenen Rückzug der Betroffenen und häufig auch durch das Unverständnis von Außenstehenden, kommt es zum „Einschlafen“ von Kontakten.

 

Eine weitere große Belastung für depressive Patienten ist, dass sie nur unter intensiver Anstrengung und nur für kurze Zeiträume, Ihren äußeren Anforderungen (beruflich oder auch im Haushalt) gerecht werden können.

Beruflich kann es dadurch im schlimmsten Fall zum Verlust des Arbeitsplatzes kommen. Auch bei der Haushaltsführung und im hygienischen Bereich können starke Vernachlässigungen die Folge sein.

 

Betroffene fühlen sich, durch ihre Unfähigkeit Aufgaben nachzukommen, sehr schnell überfordert, was ihre negative Selbstwahrnehmung wiederum verstärkt.

Aus diesem Grund, sind auch Aufforderungen ihrer Umwelt, zum „positiven Denken“ oder „sich nicht so gehen lassen“, vollkommen fehl am Platz.

 

Eine Depression ist kein Ausdruck von Schwäche oder persönlichem Versagen!

 

Ätiologie

Die Ursachen depressiver Erkrankungen sind komplex und nur teilweise verstanden. Es ist von einem Zusammenwirken mehrerer Ursachen auszugehen: sowohl biologische Faktoren als auch entwicklungsgeschichtliche Erfahrungen, aktuelle Ereignisse und kognitive Verarbeitungsmuster spielen eine Rolle.

 

Neurobiologische Faktoren

Als gesichert gilt, dass bei jeder bekannten Form der Depression das serotonerges und/oder noradrenerges System gestört ist, das heißt, der Spiegel dieser Neurotransmitter ist zu niedrig, oder die Reizbarkeit der Synapsen ist verändert. Unklar ist jedoch, ob die Veränderung des Serotoninspiegels eine Ursache oder eine Folge der depressiven Erkrankung ist.

 

Genetische Ursachen

Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien belegen eine genetische Disposition für Depression. Zwillingsstudien zeigen, dass genetischen Faktoren eine entscheidende Bedeutung zukommt. So sei das Risiko für Kinder, bei denen ein Elternteil depressiv erkrankt ist, bei 10–15%, ebenfalls zu erkranken, und bei vorhandener Erkrankung beider Elternteile bei 30–40%.

 

Die Zwillingsstudien zeigen umgekehrt auch, dass die genetische Komponente nur ein Teilfaktor ist. Selbst bei eineiigen Zwillingen erkrankt der Zwillingspartner des depressiven Patienten in weniger als der Hälfte der Fälle.

 

Beim Entstehen einer Depression spielen immer auch Umweltfaktoren eine Rolle. Darüber, wie die mögliche genetische Grundlage der Depression allerdings aussehen könnte, besteht keine Einigkeit. Einvernehmen herrscht nur darüber, dass es ein isoliertes „Depressions-Gen“ nicht gibt.

 

Somatisch Erklärungsansätze

Auslöser von Depressionen können auch andere Krankheiten (Krebs, Schilddrüsenerkrankungen, Süchte o.ä.) sein.

Auch chronische Infektionen mit Krankheitserregern wie Streptokokken oder auch Bornaviren stehen im Verdacht, Depressionen auslösen zu können.

 

Ein biogener Auslöser ist der Mangel an Tageslicht. Bei der so genannten saisonalen (auch: Winter- oder Herbstdepression) treten durch zu wenig Sonnenlicht regelmäßig über die Wintermonate depressive Symptome auf, die im Frühjahr wieder abklingen.

 

Medikamente als Auslöser

Depressive Syndrome können durch die Einnahme oder das Absetzen von Medikamenten und psychotropen Substanzen verursacht werden. Fast zu jeder in der Medizin eingesetzten Wirkstoffgruppe liegen Einzelfallberichte über eine durch Einnahme ausgelöste depressive Symptomatik vor.

Die Substanzen, die am häufigsten Symptome einer Depression verursachen können, sind Antikonvulsiva, Benzodiazepine (vor allem nach Entzug), Zytostatika, Glucocorticoide, Interferone, Antibiotika, Lipidsenker, Neuroleptika, Retinoide, Sexualhormone und Betablocker. Die Unterscheidung zwischen einer substanzinduzierten Depression und einer von Medikamenteneinnahme unabhängigen Depression kann schwierig sein. Grundlage der Unterscheidung ist eine durch einen Psychiater erhobene ausführliche Anamnese.

 

Hormonelle Faktoren als Auslöser

Die nicht-pathologischen Symptome des „Baby-Blues“ werden in der Fachliteratur vollständig auf hormonelle Ursachen zurückgeführt.

 

Mit einer Häufigkeit von ungefähr 10 bis 15 Prozent stellt die postnatale Depression eine häufige Störung nach der Geburt dar. Die Symptome können Niedergeschlagenheit, häufiges Weinen, Angstsymptome, Grübeln über die Zukunft, Antriebsminderung, Schlafstörungen, körperliche Symptome und lebensmüde Gedanken bis hin zur Suizidalität umfassen. Es wird diskutiert, inwiefern hormonelle Einflüsse für ein Auftreten dieser Erkrankung verantwortlich sind.

 

Psychosoziale Faktoren

Ungünstige Lebensumstände (Arbeitslosigkeit, körperliche Erkrankung, geringe Qualität der Partnerschaft, Verlust des Partners) können eine depressive Episode auslösen, sofern die Disposition besteht.

 

Häufig nennt der Patient als Ursache seiner Erkrankung vorhandene, zum Teil schon sehr lange bestehende Konflikte. Seien die behoben, wäre er wieder gesund. In der Regel verwechselt der Patient dabei Ursache und Wirkung.

 

Menschen mit einem kleinen und wenig unterstützenden sozialen Netzwerk werden besonders häufig depressiv. Gleichzeitig haben Menschen, die erst einmal depressiv geworden sind, Schwierigkeiten, ihr soziales Netzwerk aufrechtzuerhalten. Sie sprechen langsamer und monotoner und halten weniger Augenkontakt, zudem sind sie weniger kompetent beim Lösen interpersonaler Probleme.

 

Psychodynamische Ansätze

In der Psychoanalyse gilt die Depression unter anderem als eine gegen sich selbst gerichtete Aggression.

Als psychische Ursachen für die Depression werden, besonders von psychoanalytisch orientierten Psychiatern wie Heinz Kohut, Donald W. Winnicott und Alice Miller, auch dysfunktionale Familien beschrieben. Hier sind die Eltern mit der Erziehungsarbeit überfordert und von den Kindern wird erwartet, dass sie die Eltern glücklich machen, zumindest aber problemlos „funktionieren“, um das fragile familiäre System nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Besonders Kinder, die auf solch eine Überforderung mit der bedingungslosen Anpassung an die familiären Bedürfnisse reagieren, sind später depressionsgefährdet.

Als handlungsleitendes Motiv kann nun das ständige Erfüllen von Erwartungen entstehen. Die so entstandenen Muster können lange auf einer latenten Ebene bleiben, und beispielsweise durch narzisstische Größenphantasien oder ein Helfersyndrom kompensiert werden. Das narzisstische Über-Ich verzeiht die Ohnmacht nicht: wenn die Überforderung ein nicht mehr erträgliches Maß erreicht, wird aus der latenten eine manifeste Depression (vgl. Erlernte Hilflosigkeit).

 

Erlernte Hilflosigkeit

Nach Seligmans Depressionsmodell werden Depressionen durch Gefühle der Hilflosigkeit bedingt, die auf unkontrollierbare, aversive Ereignisse folgen. Entscheidend für die erlebte Kontrollierbarkeit von Ereignissen sind die Ursachen, auf die die Person ein Ereignis zurückführt. Nach Seligman führt die Ursachenzuschreibung unangenehmer Ereignisse auf internale, globale und stabile Faktoren zu Gefühlen der Hilflosigkeit, die wiederum zu Depressionen führen. Mittels Seligmans Modells lässt sich die hohe Komorbidität zu Angststörungen erklären:

 

Allen Angststörungen ist gemein, dass die Personen ihre Angst nicht oder sehr schlecht kontrollieren können, was zu Hilflosigkeits- und im Verlauf der Störung auch zu Hoffnungslosigkeitserfahrungen führt. Diese wiederum sind, laut Seligman, ursächlich für die Entstehung von Depressionen.

 

Kognitionen als Ursache

Im Zentrum von Becks Depressionsmodell stehen kognitive Verzerrungen der Realität durch den Depressiven. Ursächlich dafür sind, laut Beck, negative kognitive Schemata oder Überzeugungen, die durch negative Lebenserfahrungen ausgelöst werden.

Durch Benutzung dysfunktionaler Schemata kommt es zu kognitiven Verzerrungen der Realität, die im Falle der depressiven Person zu pessimistischen Sichtweisen von sich selbst, der Welt und der Zukunft führen (negative Triade).

Als typische kognitive Verzerrungen werden u. a. willkürliche Schlüsse, selektive Abstraktion, Übergeneralisierungen und Über- oder Untertreibungen angesehen.

Die kognitiven Verzerrungen verstärken rückwirkend die Schemata, was zu einer Verfestigung der Schemata führt. Unklar ist jedoch, ob kognitive Fehlinterpretationen die Ursache der Depression darstellen oder ob durch die Depression kognitive Fehlinterpretationen erst entstehen.