Klientzentrierte Gesprächstherapie nach Rogers

(Gesprächspsychotherapie, nicht-direktive oder Personzentrierte Psychotherapie)


Eine mir überaus sympatische Therapieform.

 

Minimalistisch in ihrer Methodik, und doch ist das Wesentliche dabei, wenn sie korrekt ausgeführt wird. Und genau darin sehe ich die Schwierigkeit: auch Therapeuten sind Menschen. Die Ansprüche an sie sind hier hoch. Absolute Wertschätzung des Gegenübers und eigene Kongruenz. 

 

Wer ein solches Gegenüber findet, dem kann man nur gratulieren. 


Was ist klientzentrierte Gesprächstherapie?

Diese humanistisch-psychologische Therapieform wurde in den 40er Jahren von dem Amerikaner Carl Rogers in den USA begründet.

Sie hat sich im Laufe der Jahre zu einer eigenständigen Therapieform entwickelt, die vielfach sehr wirksam angewendet wird.

 

Selbstaktualisierung

Nach Rogers wird der Mensch von einer einzigen zentralen Energie, der angeborenen Tendenz zur Selbstaktualisierung, Selbsterhaltung und Selbstverwirklichung, gesteuert.

 

Der Hilfesuchende trägt alles zu seiner Heilung Notwendige in sich und ist selbst am besten in der Lage, seine persönliche Situation zu analysieren und Lösungen für seine Probleme zu erarbeiten. Ausgehend von diesem humanistischen Menschenbild folgerte Rogers, Psychotherapie müsse ein günstiges Klima für den gestörten Wachstumsprozess schaffen.

 

Selbstkonzept

Das Selbstkonzept ist eine durch Erfahrungen gebildete und sich verändernde Struktur von Wahrnehmungen, Empfindungen und Werthaltungen, die eine Person bezogen auf sich selbst hat.

 

Die Entwicklung der Persönlichkeit wird durch bedingungslose Wertschätzung und Annahme der Person gefördert. Eine derart wertgeschätzte und angenommene Person vertraut auf ihre Gefühle und lässt ihr Handeln auch davon leiten. Sie strebt nach Selbstaktualisierung und Selbstverwirklichung.

 

Kongruenz

Werden Wertschätzung und die Annahme einer Person allerdings von einer Bedingung abhängig gemacht (z.B. wenn die Mutter dem Kind sagt „wenn du zornig schreist, habe ich Dich nicht mehr lieb.“), so wird die Entwicklung der Persönlichkeit gehemmt. Die Person hat wenig bzw. kein Vertrauen in das eigene Erleben und orientiert ihr Verhalten an Bewertungen von außen. Ihr Verhalten und Erleben stimmt nicht überein, sie verhält sich inkongruent.

 

Eine Person ist dann kongruent, wenn ihr Verhalten und Erleben mit dem bestehenden Selbstkonzept weitgehend übereinstimmen.

 

Eine Mutter ist beispielsweise verärgert und wütend über ihren Sohn. Zeigt sie ihre Gefühle in angemessener Weise, so stimmt ihr Verhalten mit ihrem aktuellen Selbstkonzept überein. Sie verhält sich kongruent. Hat sie dagegen das ideale Selbstkonzept „Eine gute Mutter darf keine negativen Gefühle haben", dann passen Ärger und Wut nicht in ihr Selbstkonzept. Sie unterdrückt diese Gefühle oder nimmt sie vielleicht gar nicht wahr. Ihr Erleben und Verhalten ist dann inkongruent.

 

Ein positives Selbstkonzept ist flexibel genug, neue Erfahrungen anzunehmen und sich ihnen anzupassen.

 

Vor allem Menschen mit einem negativen Selbstkonzept und geringer Selbstachtung versuchen, ihre verletzbare Selbststruktur rigide zu verteidigen und zu schützen. Jede Erfahrung, die ihr Selbstkonzept gefährdet, wird als bedrohlich wahrgenommen. Um die bestehende Selbststruktur zu schützen, werden diese Erfahrungen abgewehrt.

 

Zwei wesentliche Abwehrmechanismen sind hierbei die Verleugnung und Verzerrung.

Bei der Verleugnung wird die Existenz einer Erfahrung völlig verneint. Bei der Verzerrung tritt die Erfahrung zwar ins Bewusstsein, ihre Bedeutung ist aber so verändert und entstellt worden, dass sie wieder mit dem aktuellen Selbstkonzept übereinstimmt.

Beispiel: Die liebevolle Mutter (siehe oben) kann ihre negativen Gefühle völlig verneinen und ignorieren. Sie kann sie auch als momentanes Unwohlsein entstellen und damit ihre wahre Bedeutung verschleiern.

Beide Abwehrreaktionen bewahren den Menschen davor, dass sein beschädigtes Selbstkonzept weiter verletzt wird und ihre Selbstachtung noch mehr verloren geht. So lässt sich für kurze Zeit ein gewisser Grad an Übereinstimmung zwischen dem Selbstkonzept und den aktuellen Erfahrungen herstellen, eine Auseinandersetzung mit der Realität und die daraus resultierende Veränderung des Selbstkonzepts findet aber nicht statt.

 

Therapie

In der Gesprächspsychotherapie wird versucht, die Inkongruenz zwischen dem Selbstkonzept und der Erfahrung aufzuheben, die sich in Leidenszuständen und Störungen niederschlägt.

Der Klient soll versuchen, eine größere Selbstachtung und Akzeptanz seiner eigenen Person zu entwickeln.

 

Die Aufgabe des Therapeuten ist es, dem Betroffenen zu helfen zu eigenen Lösungen zu gelangen, die das einzigartige Potenzial des Individuums für Persönlichkeitswachstum und Persönlichkeitsveränderung ausdrücken.

 

Es ist nicht die Aufgabe des Therapeuten, theoretische Erklärungen für Probleme anzubieten oder Ratschläge zu erteilen, wie sie gelöst werden könnten. Auch sollte er den Klienten nicht lenken oder werten.

Man spricht von einem nicht-direktiven Vorgehen.

 

Der Therapeut versucht die Wahrnehmung des Klienten genau zu verstehen und das Verstandene widerzuspiegeln.

Er spricht angedeutete Gefühle, über die der Betroffene sich selbst meist nicht bewusst ist, in präziseren Worten aus (Reflexion der Gefühle).

 

Damit eine psychologisch relevante Veränderung des Selbstkonzepts einer Person stattfinden kann, müssen vom Therapeuten die drei Grundhaltungen in der Beziehung zum Klienten gelebt werden:

 

Bedingungslose positive Wertschätzung

gegenüber der Person des Ratsuchenden mit ihren Schwierigkeiten und Eigenheiten. (Akzeptanz) Das Bedürfnis nach bedingungsloser positiver Wertschätzung gehört auch zu den personzentrierten Grundannahmen über die Natur des Menschen.

 

Empathie

Einfühlsames Verstehen der Welt und der Probleme aus der Sicht des Klienten, und die Fähigkeit, diese Empathie dem Klienten zu kommunizieren.

 

Kongruenz

in seiner Haltung (Echtheit, Wahrhaftigkeit gegenüber dem Klienten): Offenes Wahrnehmen des eigenen Erlebens als Therapeut oder Berater, der mit dem Klienten in Beziehung steht. Dieses Offen-Sein schließt auch Echtheit in dem Sinn ein, dass Psychotherapeuten und Berater nicht nur als Fachpersonen in Erscheinung treten, sondern auch und besonders als Person sich dem Klienten in der Begegnung zu erkennen geben.

 

Die Wirkung von Personzentrierter Psychotherapie und Beratung wurzelt in erster Linie in der Umsetzung dieser drei Grundhaltungen. Sie prägt die Beziehung zum Klienten, der sich dank dessen seiner eigenen Person zunehmend wertschätzend, empathisch und kongruent zuwenden kann (Persönlichkeitswachstum). Die Wirkung liegt nicht im theoretischen und diagnostischen Experten-Wissen über Klienten oder der Anwendung therapeutischer Techniken.

 

Setting

 Die Gesprächsdauer beträgt etwa eine Stunde wöchentlich.

Eine Gesprächstherapie dauert etwa 20–30 Stunden und wird angewendet bei Persönlichkeitsstörungen, Angststörungen, Beziehungsstörungen, Neurosen, psychosomatischen Störungen, in der Suchttherapie, bei Familienproblemen, Kriseninterventionen, Kinder- und Jugendpsychiatrie.

 


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